Voigt-Profil

Verschiedene Voigt-Profile jeweils mit Halbwertsbreite 2. Spezialfälle sind die Lorentz-Kurve (blau) und die Gauß-Kurve (grün).

Unter dem Voigt-Profil oder auch der Voigtfunktion (nach Woldemar Voigt) versteht man die Faltung einer Gauß-Kurve G ( x ) {\displaystyle G(x)} mit einer Lorentz-Kurve L ( x ) {\displaystyle L(x)} .

Mathematische Beschreibung

V ( x ; σ , γ ) = ( G L ) ( x ) = G ( τ ) L ( x τ ) d τ {\displaystyle V(x;\sigma ,\gamma )=(G*L)(x)=\int G(\tau )L(x-\tau )d\tau }
G ( x ; σ ) = e x 2 / ( 2 σ 2 ) σ 2 π {\displaystyle G(x;\sigma )={\frac {e^{-x^{2}/(2\sigma ^{2})}}{\sigma {\sqrt {2\pi }}}}}
L ( x ; γ ) = γ π ( x 2 + γ 2 ) . {\displaystyle L(x;\gamma )={\frac {\gamma }{\pi (x^{2}+\gamma ^{2})}}.}

σ {\displaystyle \sigma } entspricht der Standardabweichung einer Gauß-Verteilung. In der Spektroskopie wird sie als Dopplerbreite bezeichnet. γ {\displaystyle \gamma } ist die halbe Halbwertsbreite der Lorentzverteilung, in der Spektroskopie als Druckverbreitung bekannt. Das Voigt-Profil entsteht aus der Faltung des Gauß-Profils mit dem Lorentz-Profil. Das Voigt-Profil ist wie jeweils das Gauß- und Lorentz-Profil auf 1 normiert (Fläche unter den Profilen).

Numerische Darstellung

Für das Faltungsintegral V ( x ) {\displaystyle V(x)} existiert keine analytische Lösung, doch kann es als Realteil der Faddeeva-Funktion w ( z ) {\displaystyle w(z)} (skalierte komplexe Fehlerfunktion, Plasma-Dispersionsfunktion) ausgedrückt werden, für die hinreichend gute Näherungen verfügbar sind:

V ( x ; σ , γ ) = Re [ w ( z ) ] σ 2 π . {\displaystyle V(x;\sigma ,\gamma )={\frac {\operatorname {Re} \left[w(z)\right]}{\sigma {\sqrt {2\pi }}}}.}

z {\displaystyle z} ist hier definiert als

z = x + i γ σ 2 . {\displaystyle z={\frac {x+i\gamma }{\sigma {\sqrt {2}}}}.}

Die Breite des Voigt-Profils

Die Halbwertsbreite des Voigt-Profils lässt sich aus den Breiten der beteiligten Lorentz- und Gauß-Kurven bestimmen. Bekannt sind die Breiten des Gauß-Profils (fwhm: volle Breite bei halbem Maximum),

f G = 8 ln ( 2 ) σ , {\displaystyle f_{\mathrm {G} }={\sqrt {8\ln(2)}}\sigma ,}

und des Lorentz-Profils,

f L = 2 γ . {\displaystyle f_{\mathrm {L} }=2\gamma .}

Die Breite des Voigt-Profils f V {\displaystyle f_{\mathrm {V} }} ist eine Funktion von f G {\displaystyle f_{\mathrm {G} }} und f L {\displaystyle f_{\mathrm {L} }} .

Die einfachste Näherung ist die symmetrische Interpolationsformel[1]

f V f G 2 + f L 2 , {\displaystyle f_{\mathrm {V} }\approx {\sqrt {f_{\mathrm {G} }^{2}+f_{\mathrm {L} }^{2}}},}

die jedoch f V {\displaystyle f_{\mathrm {V} }} um bis zu 16 % unterschätzt.[2]

Eine bessere Näherung ist nach Kielkopf[3]

f V 0,534 3 f L + 0,216 9 f L 2 + f G 2 {\displaystyle f_{\mathrm {V} }\approx 0{,}5343f_{\mathrm {L} }+{\sqrt {0{,}2169f_{\mathrm {L} }^{2}+f_{\mathrm {G} }^{2}}}}

mit einer maximalen Abweichung von 0,023%.

Eigenschaften

Die Voigt-Funktion ist invariant gegenüber Faltung, d. h., die Faltung einer Voigt-Funktion mit einer weiteren Voigt-Funktion ergibt wieder eine Voigt-Funktion. Die Linienbreiten des Gauß- bzw. Lorentz-Anteils ergeben sich dabei zu:

f G 2 = i ( f G 2 ) i {\displaystyle f_{\mathrm {G} }^{2}=\sum _{i}{(f_{\mathrm {G} }^{2})_{i}}}

und

f L = i ( f L ) i {\displaystyle f_{\mathrm {L} }=\sum _{i}{(f_{\mathrm {L} })_{i}}} .

Näherung durch Pseudo-Voigt-Profil

Beim Vergleich zwischen Voigt-Profil (blau) und Pseudo-Voigt-Profil (magenta) sind kaum Unterschiede erkennbar.

Das Pseudo-Voigt-Profil (oder die Pseudo-Voigt-Funktion) ist eine Näherungsfunktion für das Voigt-Profil, bei der die Faltung durch eine Linearkombination aus Gauß- und Lorentzkurve ersetzt wird. Es wird traditionell zur Ausgleichsrechnung von Röntgendiffraktometrie-Profilen verwendet. Seit eine effiziente und sehr genaue Implementierung der eigentlichen Voigt-Funktion zur Verfügung steht, gibt es keinen guten Grund mehr für die Verwendung dieser Näherung.

Mathematische Definition:

V p ( x ) = η L ( x ) + ( 1 η ) G ( x ) {\displaystyle V_{p}(x)=\eta \cdot L(x)+(1-\eta )\cdot G(x)\;}   mit   0 < η < 1 {\displaystyle 0<\eta <1}
G ( x ) = exp [ ln ( 2 ) ( x x 0 w ) 2 ] {\displaystyle G(x)=\exp {\left[-\ln(2)\cdot \left({\frac {x-x_{0}}{w}}\right)^{2}\right]}\;}
L ( x ) = 1 1 + ( x x 0 w ) 2 {\displaystyle L(x)={\frac {1}{1+({\frac {x-x_{0}}{w}})^{2}}}}

Dabei ist 2 w {\displaystyle 2w} die Halbwertsbreite der Pseudo-Voigt-Funktion.

Beispiele

Bei einem großen Verhältnis zwischen Druck- und Dopplerverbreiterung γ / σ 1 {\displaystyle \gamma /\sigma \gg 1} ist das Voigt-Profil mit dem Lorentz-Profil fast identisch. Nur unmittelbar an der Linienmitte tritt eine geringe Abrundung durch die Faltung mit der Gaußkurve auf. Liegt γ / σ {\displaystyle \gamma /\sigma } bei 1, wird der zentrale Teil der Linie durch das Gauß-Profil dominiert, man spricht dann vom Dopplerkern. Außen setzt sich jedoch das viel langsamer abfallende Lorentz-Profil durch, man bezeichnet diesen Bereich als Dämpfungsflügel. Im Falle γ / σ 1 {\displaystyle \gamma /\sigma \ll 1} wird aus dem Voigt-Profil nahezu ein Gauß-Profil. Die logarithmische Darstellung (die Gaußkurve erscheint dann als Parabel) lässt jedoch erkennen, dass sehr weit von der Linienmitte entfernt immer noch das Lorentz-Profil hervortritt, allerdings dann auf sehr niedrigem Niveau.

Der Fall γ / σ 1 {\displaystyle \gamma /\sigma \gg 1} entspricht durchwegs irdischen Bedingungen, denen etwa die Spektrallinien der in der Erdatmosphäre vorhandenen Moleküle unterworfen sind. Der Fall γ / σ = 1 {\displaystyle \gamma /\sigma =1} oder gar γ / σ 1 {\displaystyle \gamma /\sigma \ll 1} setzt niedrige Drücke und hohe Temperaturen voraus, wie sie zumeist für Sternatmosphären charakteristisch sind.

Literatur

  • Woldemar Voigt: Das Gesetz der Intensitätsverteilung innerhalb der Linien eines Gasspektrums. Sitzungsbericht der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25, 1912, S. 603–620, (online).
  • Z. Shippony, W. G. Read, A Highly Accurate Voigt Function Algorithm. In: Journal of Quantitative Spectroscopy & Radiative Transfer. Bd. 50, Nr. 6, 1993, ISSN 0022-4073, S. 635–645, doi:10.1016/0022-4073(93)90031-C; Erratum: A Correction to a Highly Accurate Voigt Function Algorithm. ebenda Bd. 78, Nr. 2, 2003, S. 255, doi:10.1016/S0022-4073(02)00169-3.

Einzelnachweise

  1. Danos & Geshwind, Phys Rev91, 1159 (1953).
  2. Ablesbar aus Fig. 1 in Olivero & Longbothom (1977)
  3. John F. Kielkopf: New approximation to the Voigt function with applications to spectral-line profile analysis. 8. Auflage. Vol. 63. Journal of the Optical Society of America, 1973. 
  • Numerische C-Bibliothek für komplexe Fehlerfunktionen von Steven G. Johnson und Joachim Wuttke, enthält eine Funktion voigt (x, sigma, gamma) mit ungefähr 13-stelliger Genauigkeit.
Kontinuierliche univariate Verteilungen

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit kompaktem Intervall:
Beta | Cantor | Kumaraswamy | raised Cosine | Dreieck | Trapez | U-quadratisch | stetig uniform | Wigner-Halbkreis

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit halboffenem Intervall:
Beta prime | Bose-Einstein | Burr | Chi | Chi-Quadrat | Coxian | Erlang | Exponential | Extremwert | F | Fermi-Dirac | Folded normal | Fréchet | Gamma | Gamma-Gamma | verallgemeinert invers Gauß | halblogistisch | halbnormal | Hartman-Watson | Hotellings T-Quadrat | hyper-exponentiale | hypoexponential | invers Chi-Quadrat | scale-invers Chi-Quadrat | Invers Normal | Invers Gamma | Kolmogorow-Verteilung | Lévy | log-normal | log-logistisch | Maxwell-Boltzmann | Maxwell-Speed | Nakagami | nichtzentriert Chi-Quadrat | Pareto | Phase-Type | Rayleigh | relativistisch Breit-Wigner | Rice | Rosin-Rammler | shifted Gompertz | truncated normal | Type-2-Gumbel | Weibull | Wilks’ Lambda

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit unbeschränktem Intervall:
Cauchy | Extremwert | exponential Power | Fishers z | Fisher-Tippett (Gumbel) | generalized hyperbolic | Hyperbolic-secant | Landau | Laplace | alpha-stabil | logistisch | normal (Gauß) | normal-invers Gauß’sch | Skew-normal | Studentsche t | Type-1-Gumbel | Variance-Gamma | Voigt