Senile Demenz

Als Senile Demenz (lat. Dementia senilis;[1] engl. Senile dementia[2]) wird die auch sogenannte Altersdemenz[3] bezeichnet, die im Greisenalter (Senium)[4] durch Arteriosklerose der zerebralen Gefäßabschnitte oder durch eine einfache Atrophie bedingte Geistesstörungen entsteht;[5] psychopathologisch besteht ein diffuses hirnorganisches, gelegentlich amnestisches Psychosyndrom.[5] Das Wort Demenz ist vom lat. dementia für Tollheit, Verblödung abgeleitet.[1]

Eingliederung

„Senile Demenz ist definiert als progressiver Verlust des Gedächtnisses und anderer kognitiver Funktionen nach 65. Lebensjahr; presenile Demenz vor 65. Lebensjahr“.[6]

Das Wort Demenz ist die Bezeichnung für irreversible Verluste geistiger Fähigkeiten, insbesondere des Gedächtnisses und Persönlichkeitsabbau, die auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden können:[1] Dazu gehören insbesondere Dementia senilis (Abbau im höheren Lebensalter), Präsenile Demenz (vorzeitiger Abbau im mittleren Alter z. B. als Begleiterscheinung von Erkrankungen vom Typ Alzheimer), Dementia praecox (frühzeitiger Abbau im Jugendalter nach Schüben von Schizophrenie), Dementia alcoholica (engl. Alcohol Related Dementia, ARD), Dementia simplex (sogenannte Versandung der Persönlichkeit), endogene Demenz (Nivellierung der Persönlichkeit bei Schizophrenie), exogene Demenz (nach organisch nachweisbaren Veränderungen).[1]

Besondere Formen der senilen Demenz sind:

  1. Dementia senilis,
  2. manische und depressive Episoden
  3. paranoide Syndrome.[5][7]

Diese Formen müssen aber hirnorganische Zeichen aufweisen, die zeitliche Koinzidenz allein berechtigt nicht zu der Bezeichnung im obigen Sinne (Ähnlichkeit siehe Alzheimer- und Pick-Krankheit); Für die Abgrenzung der Alzheimer von der senilen Demenz können eigentlich nur Manifestation im Präsenium (im 5. Lebensjahrzehnt), raschere Progredienz und besonders schwere Demenz herangezogen werden.[5] Die früher propagierte Unterscheidung einer „senilen“ Demenz von einer Alzheimer-Demenz ist hinsichtlich klinischer und histopathologischer Kriterien nicht haltbar.[8] Bei der Alzheimer-Demenz gibt es neben der typischen senilen Form und den genetischen Formen einige klinische Varianten, denen allen gemeinsam ist, dass sie häufiger bei jüngeren Betroffenen auftreten.[8]

Geschichte

Alois Alzheimer erwähnte den Begriff „Dementia senilis“ (senile Demenz) 1894. Er hob hervor, dass die meisten Studien zu seniler Demenz Erkrankungen umfassten, die eher an psychische Störungen des Alters oder senile geistige Beeinträchtigung (Greisenblödsinn) erinnerten, wie Melancholie, Manie, Depression und andere, die ebenso mit Arteriosklerose in Zusammenhang stehen könnten.[2] Alzheimer glaubte zunächst, eine seltene präsenile Gehirnerkrankung entdeckt zu haben, doch traf er später dieselben Symptome und Zellbefunde auch bei älteren Patienten an, und kam er zu der heute bestätigten Auffassung, dass es sich um eine senile Demenz einschließlich einer bereits in der Lebensmitte auftretenden Frühform handelt.[9]

Psychiater und Neurologen stritten zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Identität von präseniler (Alzheimer-Krankheit) und seniler Demenz.[10] Die Geschichte zeigt, dass die Unterscheidung ursprünglich auf anekdotischen klinischen Beobachtungen beruhte und dass der Wettbewerb zwischen Universitäten einer der zugrunde liegenden Faktoren war.[10] Die persönliche Meinung von Emil Kraepelin spielte eine wichtige Rolle, der ein Dogma schuf, das nur schwer zu ändern ist. Berichte auf der Grundlage großer klinisch-pathologischer Serien haben gezeigt, dass sich die Pathologien der präsenilen und senilen Demenz qualitativ nicht unterscheiden.[10] Obwohl die Kontroverse anhält, betrachten heute viele die Alzheimer-Krankheit und die senile Demenz als Teil desselben Krankheitsspektrums, unabhängig vom Erkrankungsalter.[10] Man teilt die Alzheimer-Demenz ein in präsenile Demenz, die zwischen dem 40. und 65. Lebensjahr beginnt, und senile Demenz, die erst nach dem 65. Lebensjahr beginnt.[11]

Senile Demenz wurde als eigenständige Erkrankung betrachtet und zunächst auf einen vaskulären Ursprung zurückgeführt.[12] Ab den späten 1960er Jahren und für die darauffolgenden 20 Jahre wurde die Alzheimer-Krankheit jedoch zum Prototyp der senilen Demenz.[12][13] Erst vor kurzem wurde der Begriff Demenz zugunsten schwerer neurokognitiver Störungen aufgegeben und die Heterogenität des Syndroms auf phänotypischer und molekularer Ebene wieder anerkannt.[12]

Einzelnachweise

  1. a b c d Uwe Tewes, Klaus Wildgrube (Hrsg.): Psychologie-Lexikon. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, 2016, ISBN 978-3-486-80174-3, S. 74. 
  2. a b Alzheimer and vascular brain disease: Senile dementia. Abgerufen am 5. September 2024 (englisch). 
  3. Uwe Henrik Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, medizinische Psychologie: mit einem englisch-deutschen Wörterbuch im Anhang. 6., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2007, ISBN 978-3-437-15061-6, S. 22. 
  4. Philip Winn: Dictionary of Biological Psychology. Routledge, 2003, ISBN 978-1-134-77815-7 (google.de [abgerufen am 10. September 2024]). 
  5. a b c d Christoph Zink (Hrsg.): Pschyrembel klinisches Wörterbuch: Mit klinischen Syndromen und Nomina Anatomica. 255. Auflage. Walter de Gruyter, 2012, ISBN 978-3-11-150689-0, S. 54, 1536 (google.de [abgerufen am 5. September 2024]). 
  6. Axel M. Gressner, Torsten Arndt: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik: Klinische Chemie. Band 1. Springer-Verlag, 2012, ISBN 978-3-540-49520-8, S. 782 (google.de [abgerufen am 10. September 2024]). 
  7. Duden | Dementia senilis | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 5. September 2024. 
  8. a b Demenzerkrankungen: Das Wichtigste für Ärzte aller Fachrichtungen. In: Ansgar Felbecker, Volker Limmroth, Barbara Tettenborn (Hrsg.): Elsevier Essentials. Elsevier Health Sciences, 2019, ISBN 978-3-437-18003-3, S. 49–51. 
  9. Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Berühmte Entdecker von Krankheiten: Alois Alzheimer hat nicht geirrt. 24. Juli 2017, abgerufen am 9. September 2024. 
  10. a b c d Origin of the distinction between Alzheimer's disease and senile dementia: how history can clarify nosology. 1986, abgerufen am 6. September 2024 (englisch). 
  11. Bayerische Demenzstrategie. Bayerisches Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, 2013, S. 7, abgerufen am 9. September 2024. 
  12. a b c Frédéric Assal: History of Dementia. 2018, abgerufen am 6. September 2024 (englisch). 
  13. Alzheimer-Demenz, Terminologie. In: Hans Förstl (Hrsg.): Demenzen in Theorie und Praxis. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-06507-5, S. 43, 44 (google.de [abgerufen am 11. September 2024]).