Hymne der bolschewistischen Partei

Flagge der Sowjetunion (1936–1955). Die Parteihymne wurde in diesen Jahren neben der Flagge zu einem wichtigen Symbol des bolschewistischen Regimes

Die Hymne der bolschewistischen Partei (russisch Гимн партии большевиков Gimn partii bolschewikow, lateinisch translitiert Gimn partii bol’ševikov, wörtlich: Hymne der Partei der Bolschewiki bzw. der Bolschewisten bzw. der Bolschewiken) ist ein von Alexander Alexandrow komponiertes politisches Lied. Den Text schrieb Wassili Iwanowitsch Lebedew-Kumatsch. Es diente von 1938 bis 1952 als Parteihymne der damaligen Einheitspartei der Sowjetunion unter der Diktatur Josef Stalins – der Allunionistischen Kommunistischen Partei (der Bolschewiki), kurz WKP(b). Nach der 1952 erfolgten Umbenennung der bolschewistischen Partei in Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) wurde die Parteihymne nicht mehr weiter genutzt. Die Melodie der Parteihymne wurde jedoch ab dem Jahr 1944 mit verändertem Text in die neueingeführte Hymne der Sowjetunion übernommen, und im Jahr 2000 machte der russische Präsident Wladimir Putin die Melodie ebenfalls zur Grundlage der neuen Hymne der Russischen Föderation.

Entstehung

Das Lied wurde 1938 von Alexandrow komponiert[1] (anderen Quellen zufolge 1939[2] oder erst 1940).[3]

Titel

Der ursprünglich von Alexandrow vorgeschlagene Titel für seine Komposition lautete Lied der Partei, welcher jedoch auf persönlichen Wunsch Stalins zu Hymne der bolschewistischen Partei[4] (bzw. Hymne der Partei der Bolschewiki[5] / Bolschewisten[6] / Bolschewiken[7]) umgeändert wurde.[8] Die Bezeichnung bolschewistische Partei (большевистская партия, bol’ševistskaya partiya) war von 1912 bis 1952 die gebräuchliche Selbstbezeichnung für die unter verschiedenen offiziellen Langformen und Kürzeln auftretende Partei der Bolschewiki. Sie wurde erst auf ihrem XIX. (19.) Parteitag im Oktober 1952 in Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) umbenannt. Mit dem alten Parteinamen wurde auf dem Parteitag auch die Parteihymne aufgegeben.[9]

Rezeption

Stalin selbst gefiel Alexandrows Parteilied besonders gut. Gegenüber Alexandrow soll er sich geäußert haben, dass „dieses Lied wie ein Kriegsschiff“ sei.[10]

Als die Melodie Alexandrows unter Präsident Wladimir Putin nach einer zehnjährigen Unterbrechung erneut als Grundlage für die neue Hymne der Russischen Föderation herangezogen wurde (zwischen 1990 und 2000 wurde das Patriotisches Lied als Staatshymne Russlands genutzt), regte sich heftiger Widerstand aus der russischen Zivilgesellschaft. Den größten Anstoß der Kritik von zahlreichen Intellektuellen und Künstlern gegen die neue Hymne lieferte dabei gerade die Tatsache, dass die Melodie in der Hymne der bolschewistischen Partei ihren Ursprung hat. Damit, so die Unterzeichner eines offenen Briefes an Präsident Putin, beleidige die Hymne die „Erinnerung an die Opfer der sowjetischen politischen Repressionen“. Ebenso kritisierte auch der russische PEN-Club, dass „die Hymne der Partei der Bolschewiki, eine stalinistische Hymne, [...] inakzeptabel [sei] für ein Land, das auf den Weg der Demokratie zurückkehrt.“[11]

Die heutige Partei Kommunisten Russlands erklärte die alte bolschewistische Lied im Jahr 2016 wieder zu ihrer offiziellen Parteihymne.[12]

  • Julia Smirnowa: Ohne Stalin, aber immer noch zu wenig poppig. In: Die Welt. 26. August 2013, zuletzt abgerufen am 13. August 2024 (online).
  • Aufnahme der Hymne der bolschewistischen Partei mit englischen Untertiteln auf Youtube, abgerufen am 16. August 2024.

Quellen

  • Eine deutsche Übersetzung des Liedtextes findet sich bei Karsten Brüggemann: Von Krieg zu Krieg, von Sieg zu Sieg. Motive des sowjetischen Mythos im Massenlied der 1930er Jahre: Einführung, Texte, Übersetzungen. Verlag Dr. Kovač, 2002, S. 83.

Literatur

  • Isabelle de Keghel: Die Staatssymbolik des neuen Russland. Traditionen – Integrationsstrategien – Identitätsdiskurse. LIT Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8258-8862-6.
  • Andreas Guski: Russlands große Gesänge. Von der Zarenhymne zur Hymne der russischen Föderation. In: Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakokv, Oliver Jens Schmitt (Hrsg.): Das politische Lied in Ost- und Südosteuropa. LIT Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-643-50255-1, S. 11–29.
  • Harry D. Schurdel: Nationalhymnen der Welt. Entstehung und Gehalt. Atlantis Musikbuch-Verlag, Mainz 2006, ISBN 3-254-08221-4, S. 188–193.

Anmerkungen

  1. Vgl. Andreu Mayayo i Artal: Perspektives on the Revolution. In: Andreu Mayao i Artal, Alberto Pellegrini, Antoni Segura i Mas (Hrsg.): Centenary of the Russion Revolution (1917–2017). Cambridge Scholars Publishing, 2018, S. 79–97, hier S. 88; Vgl. die Jahresangabe bei sovmusic.ru, abgerufen am 14. August 2024 (russisch).
  2. Harry D. Schurdel: Nationalhymnen der Welt. Entstehung und Gehalt. Mainz 2006, S. 189.
  3. Andreas Guski: Russlands große Gesänge. Von der Zarenhymne zur Hymne der russischen Föderation. In: Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakokv, Oliver Jens Schmitt (Hrsg.): Das politische Lied in Ost- und Südosteuropa. Berlin 2011, S. 11–29, hier S. 21.
  4. So die Übersetzung bei Isabelle de Keghel: Die Staatssymbolik des neuen Russland. Traditionen – Integrationsstrategien – Identitätsdiskurse. Hamburg 2008, S. 83; Karsten Brüggemann: Von Krieg zu Krieg, von Sieg zu Sieg. Motive des sowjetischen Mythos im Massenlied der 1930er Jahre: Einführung, Texte, Übersetzungen. 2002, S. 83; Harry D. Schurdel: Nationalhymnen der Welt. Entstehung und Gehalt. Mainz 2006, S. 189.
  5. So auch angeführt bei Andreas Guski: Russlands große Gesänge. Von der Zarenhymne zur Hymne der russischen Föderation. In: Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakokv, Oliver Jens Schmitt (Hrsg.): Das politische Lied in Ost- und Südosteuropa. Berlin 2011, S. 11–29, hier S. 21.
  6. Matthias Stadelmann: Isaak Dunaevskij, Sänger des Volkes. Eine Karriere unter Stalin. Böhlau Verlag, 2003, S. 343.
  7. Julia Smirnowa: Ohne Stalin, aber immer noch zu wenig poppig. In: Die Welt. 26. August 2013, zuletzt abgerufen am 13. August 2024 (online).
  8. Krzysztof Meyer Schostakowitsch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Überarbeitete Neuausgabe, Mainz 2015, S. 31.
  9. Ernest J. Salter, Stephan Thomas: Taschenbuch des Kommunismus in These und Gegenthese. Hohwacht-Verlag, Bad Godesberg 1963 [1959], S. 41; Isabelle de Keghel: Die Staatssymbolik des neuen Russland. Traditionen – Integrationsstrategien – Identitätsdiskurse. Hamburg 2008, S. 85.
  10. Krzysztof Meyer Schostakowitsch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Überarbeitete Neuausgabe, Mainz 2015, S. 31.
  11. Andreas Guski: Russlands große Gesänge. Von der Zarenhymne zur Hymne der russischen Föderation. In: Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakokv, Oliver Jens Schmitt (Hrsg.): Das politische Lied in Ost- und Südosteuropa. Berlin 2011, S. 11–29, hier S. 22.
  12. "Коммунисты России" оценили итоги думских выборов и нацелились на президентские. tass.ru; abgerufen am 20. August 2024